MAXQDA Tailwind Das jüngste Mitglied unserer KI Produktfamilie

AI Coding qualitativer Daten

Wie Sie MAXQDAs AI Assist für die Codierung Ihrer qualitativen Daten nutzen – in vier Schritten

Die Analyse von qualitativen Daten wie Interviews, Fokusgruppen, Berichten oder Feldnotizen hat in den letzten dreißig Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, sowohl methodologisch als auch technologisch. Die Verwendung von Software zur Implementierung von Forschungsmethoden wie der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker 2023), der Grounded Theory (z.B. Strauss & Corbin 1990) oder der thematischen Analyse (Brown & Clark 2021) ist inzwischen in vielen Bereichen übliche Praxis geworden.

Aktuell erleben wir die Ausbreitung einer neuen Technologie, die das Potenzial hat, die qualitative Forschung und ihre Methoden zu revolutionieren: generative KI. Als neue Technologie ist sie sowohl ein Innovationsmotor als auch ein Grund zur Besorgnis, insbesondere für Lehrer:innen und andere Pädagog:innen. Wie kürzlich im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel „Opportunities and Challenges of AI in Research“ auf der MAXQDA-Anwendungskonferenz MQIC 2024 diskutiert, gibt es viele Unsicherheiten darüber, wie die Nutzung von generativer KI die qualitative Forschung und ihre Methoden beeinflussen könnte. Wird künstliche Intelligenz das Codieren ersetzen? Oder werden bestimmte Eigenschaften von Codierungen, wie Transparenz und Eindeutigkeit, durch die neu eingeführte Ambiguität der KI-Tools noch wichtiger?

In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick darauf, wie man das Potenzial von generativer KI mit der Methode des Codierens kombinieren kann. Dabei wollen wir nicht nur die Möglichkeiten reflektieren, sondern auch eine Schritt-für-Schritt Anleitung geben, wie man generative KI in qualitativen Forschungsprojekten einsetzt, die auf der Methode des Codierens basieren.

Was ist AI Assist und wie funktioniert AI Coding?

MAXQDA ist eine etablierte Software zur qualitativen Datenanalyse, die seit über drei Jahrzehnten für qualitative und Mixed-Methods-Forschung eingesetzt wird. Mit der Einführung des „AI Assist“-Add-ons im April 2023 hat die Software die neuesten technologischen Fortschritte im Bereich generativer KI integriert. Mit dem Release von AI Assist wurden die leistungsstarken Fähigkeiten generativer KI-Modelle mit den Fähigkeiten von MAXQDA, einer bewährten Forschungssoftware, die sich hauptsächlich auf die Technik des „Codierens“ von Daten konzentriert, vereint.

Das AI Assist Add-on beinhaltet eine breite Palette an Funktionen. Sie können Dokumente zusammenfassen lassen, mit Ihren codierten Daten chatten, oder sich Codes vorschlagen lassen. Dabei beruhen die AI Assist Funktionen auf dem Prinzip eines „Assistenten“, der Ihnen bei den einzelnen Schritten Ihres Forschungsprojekts hilft, aber nicht die gesamte Analyse übernimmt. Zu den AI Assist Funktionen gehört eine neue Funktion namens „AI Coding“, die durch ihren Namen verspricht, die Lücke zwischen generativer KI und dem Codierungsprozess zu schließen.

Da auch AI Coding auf der Idee eines „Assistenten“ basiert, codiert AI Coding nicht autonom das gesamte Forschungsprojekt. Stattdessen hat die Funktion einen sehr spezifischen Zweck: Einen einzelnen, gut definierten Code auf die Daten anzuwenden. Mit der Definition eines Code-Namens und einer Beschreibung (in Form eines Code-Memos) versucht der KI-Assistent, Textabschnitte innerhalb eines Dokuments zu identifizieren, auf die die Beschreibung passt.

Beispiel: AI Coding Interface

Beispiel: AI Coding Fenster

Dieser Code-für-Code-, Dokument-für-Dokument-Ansatz erfordert zwar ein paar zusätzliche Klicks, ermöglicht es aber auch, den Prozess zu kontrollieren. Sobald AI Coding gestartet wurde, identifiziert die KI Bedeutungseinheiten, indem sie eigene Textsegmente erstellt und diese mit dem entsprechenden Codewort codiert. Zusätzlich liefert AI Coding eine kurze Erklärung, wie der identifizierte Textabschnitt zum Code in Beziehung steht.

Beispiel: KI Erklärung gespeichert als Coding-Kommentar

Beispiel: KI Erklärung gespeichert als Coding-Kommentar

Dies hilft, den Prozess transparenter zu gestalten und kann später auch Inspiration für die Entwicklung von Sub-Codes bieten.

Zusätzlich wird der neu erstellte KI-Code als Sub-Code des ursprünglichen Codes gespeichert. Auf diese Weise können Sie KI-Codes klar identifizieren und die codierten Segmente von den codierten Segmenten des Originalcodes getrennt halten. Forscher:innen können dann die Ergebnisse überprüfen und entscheiden, ob der Code verfeinert, verworfen oder in den bestehenden Code integriert werden soll.

KI Code wurde als Subcode des Original-Codes erstellt

KI Code wurde als Sub-Code des Original-Codes erstellt

Wie nutzen wir eine Funktion wie AI Coding im Rahmen eines Forschungsprojekts? Lassen Sie uns dies als einen vierstufigen Prozess betrachten:

  1. Entwicklung und Test der Code-Definition anhand einer Teilmenge der Daten
  2. Anwendung des Codes auf den vollständigen Datensatz
  3. Validierung der KI-Codierung mithilfe der Visual Tools
  4. Analyse der KI-codierten Segmente

Schritt 1: Entwicklung und Test der Code-Definition anhand einer Teilmenge der Daten

Wenn wir die Implementierung von AI Coding betrachten, fällt auf, dass die Funktion auf einer Codierungs-Technik basiert, die in der qualitativen Forschung sehr beliebt ist: konzeptgetriebene oder „deduktive“ Codierung (Kuckartz & Rädiker 2023). Dies wirft eine wichtige Frage auf: Wie entwickeln wir eine gute, eindeutige Code-Definition, um die AI Codierung zu leiten? Egal, wie gut die KI ist, die Qualität der Ergebnisse hängt immer von der Qualität der Code-Definition ab. Deswegen schauen wir uns zunächst an, wie man einen Code und dessen Definition in MAXQDA erstellt, und betrachten dann, was eine gute Code-Definition für das AI Coding ausmacht.

Wie erstelle ich einen Code und eine Beschreibung für die AI Codierung in MAXQDA?

Um die Funktion AI Coding zu nutzen, müssen wir zunächst einen Code erstellen. Dazu klicken Sie einfach auf das grüne Pluszeichen im Codes-Fenster von MAXQDA.

Neuen Code “Health” erstellen

Neuen Code “Health” erstellen.

Im ersten Textfeld des Fensters können Sie einen Namen für den Code vergeben. Sie können auch eine Farbe auswählen. Die Code-Definition können Sie in das zweite Textfeld „Code Memo“ eingeben. Dies ist wichtig, weil sowohl der Codename als auch das Code-Memo für das AI Coding berücksichtigt werden.

Sobald wir unseren Code erstellt haben, müssen wir nur noch das Dokument öffnen, das wir codieren möchten. Dann wählen Sie die Option „AI Coding“ aus dem Tab „AI Assist > AI Coding“:

“AI Assist” Tab

“AI Assist” Tab

Daraufhin öffnet sich das AI Coding-Fenster. Hier müssen wir noch den entsprechenden Code durch Drag-and-drop in das Feld „Code“ ziehen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, das Code-Memo nochmals zu überarbeiten:

Beispiel: Einen Code für AI Coding erstellen

Beispiel: Einen Code für AI Coding erstellen

Sobald wir auf „OK“ klicken, beginnt der AI Coding-Prozess. Kurze Zeit später sehen wir die Ergebnisse:

AI Coding erfolgreich: 12 Segments wurden codiert.

AI Coding erfolgreich: 12 Segments wurden codiert.

Wie oben beschrieben, wird der Code als Sub-Code unseres ursprünglichen Codes erstellt und mit „AI:“ sowie einer speziellen türkisfarbenen Markierung versehen. Auf diese Weise können wir unsere Codes überprüfen, bevor wir fortfahren.

Was macht eine gute Code-Definition für das AI Coding aus?

Was machen wir, wenn wir keine Ergebnisse erhalten? Oder viel zu viele Textsegmente codiert wurden?

Fehlermeldung: Keine relevanten Segmente identifiziert.

Fehlermeldung: Keine relevanten Segmente identifiziert.

In dem Fall sollten wir unsere Code-Definition überarbeiten. Damit AI Coding funktioniert, muss unsere Code-Definition explizit, präzise und gut auf unsere Daten abgestimmt sein. Wir können auch Exklusions- und Inklusionskriterien definieren, um bestimmte Inhalte gezielt aus- oder einzuschließen. Im Gegensatz zur manuellen Codierung sollte die Verwendung von Beispielen vermieden werden, da dies dazu führen kann, dass die KI Textabschnitte stark bevorzugt, die dem Beispiel entsprechen.

Wie gut sind unsere ersten AI Coding-Ergebnisse?

Wenn wir einen neu erstellten Code zum ersten Mal anwenden wollen, ist es wichtig, ihn auf ein Dokument anzuwenden, das wir gut kennen. Ein gutes Verständnis der Daten hilft immer bei der Bewertung der AI-Ergebnisse, besonders in dieser frühen „Test“-Phase des AI-Codes und seiner Beschreibung. In diesem Stadium lohnt es sich, unsere codierten Daten aus zwei Perspektiven zu betrachten:

Erstens überprüfen wir, ob das AI Coding tatsächlich nur die relevanten Textsegmente codiert hat (und nicht zusätzliche Textsegmente, die keinen Zusammenhang mit Code aufweisen). Dazu müssen wir die codierten Segmente genau überprüfen. Wenn wir unzusammenhängende oder unerwünschte Codings finden, sollten wir die Exklusionskriterien der Code-Beschreibung anpassen und anschließend AI Coding erneut ausführen.

Übersicht der codierten Segmente: Überprüfen, ob unzusammenhängende Segmente codiert wurden, und Überarbeitung der Exklusionskriterien

Übersicht der codierten Segmente: Überprüfen, ob unzusammenhängende Segmente codiert wurden, und Überarbeitung der Exklusionskriterien

Außerdem überprüfen wir, ob wichtige Textabschnitte übersehen wurden. Ist dies der Fall, sollten wir unsere Inklusionskriterien oder die Beschreibung des Codes anpassen. Es kann hilfreich sein, Begriffe oder Phrasen hinzuzufügen, die auch in den übersehenen Abschnitten vorkommen.

Beispiel: Identifizierung eines fehlenden Segments und Überarbeitung der Inklusionskriterien.

Beispiel: Identifizierung eines fehlenden Segments und Überarbeitung der Inklusionskriterien.

Bevor wir unseren Code auf mehrere Dokumente anwenden, müssen wir sicherstellen, dass wir den Code und seine Beschreibung gut an einem oder ein paar Dokumenten testen, mit denen wir sehr vertraut sind. Dies hilft uns, unsere Code-Beschreibung zu verfeinern und bessere Ergebnisse zu erzielen.

Schritt 2: Die AI Codes auf alle Daten anwenden

Sobald wir zufrieden mit den Ergebnissen des AI Coding-Tests sind, können wir den AI Code auf den gesamten Datensatz anwenden. Dazu wiederholen wir den oben beschriebenen Prozess: Wir wählen ein Dokument, öffnen das AI Coding Tool, wählen den Code aus dem Codesystem und wenden ihn auf die Daten an. Achten Sie auf die Codehäufigkeiten und überprüfen Sie die Ergebnisse, um sicherzustellen, dass Ihre Codedefinition auch zu den anderen Dokumenten passt. Wenn in einem Dokument keine codierten Segmente gefunden wurden (oder zu viele), kann dies ein Grund zur genaueren Überprüfung sein. Wir können die Code-Beschreibung immer noch anpassen und den Code erneut auf unseren initialen Test-Dokumente anwenden, um zu sehen, wie diese Änderung sich auf die Ergebnisse auswirkt. Sobald wir alle unsere Dokumente mit diesem AI Code codiert haben, könnte unser Codesystem so aussehen:

Beispiel: Codesystem mit vier KI-Codes, ein Code pro Dokument

Beispiel: Codesystem mit vier KI-Codes zum Thema „Gesundheit“.

Jedes Dokument hat einen eigenen AI-Code, der als Subcode des ursprünglichen Codes im Codesystem eingefügt wurde. Jetzt können wir alle AI Codes zu einem AI Code fusionieren. Wählen Sie einfach alle Codes aus, klicken Sie mit der rechten Maustaste auf einen Code und wählen Sie „Codes fusionieren“.

AI Codes fusionieren

Jetzt können wir unsere AI-codierten Segmente noch einmal überprüfen. Dazu einfach die Dokumente und den AI Code aktivieren, um die codierten Segmente in der „Liste der codierten Segmente“ anzuzeigen. Gehen Sie durch die Liste, um zu verifizieren, dass keine unpassenden Segmente vorhanden sind:

Die codierten Segmente in der Liste der codierten Segmente überprüfen

Die codierten Segmente in der „Liste der codierten Segmente“ überprüfen

Nachdem wir unsere codierten Segmente überprüft haben, können wir die AI-codierten Segmente mit eventuell erstellten manuellen Codierungen im Hauptcode fusionieren.

Wie nutze ich AI Coding für mehrere Codes?

Sobald wir alle unsere Daten mit einem Code codiert haben, möchten Sie vielleicht weitere Codes erstellen. Wiederholen Sie einfach den oben beschriebenen Prozess: Erstellen Sie einen Code inklusive Codebeschreibung, testen Sie den Code auf einem Teil der Daten und wenn Sie zufrieden mit dem Ergebnis sind, wenden Sie diesen Code auf den Rest Ihrer Daten an.

Durch diese Art der Implementierung liefert MAXQDA keine „Ein-Klick“-Lösung, die magisch die Antworten auf Ihre Forschungsfragen liefert. Stattdessen ist das AI Coding bei MAXQDA ein sehr menschengetriebener Prozess. Er erfordert von uns, dass wir explizit sind in Bezug auf unsere Codes und Code-Definitionen und dass wir unsere Ergebnisse validieren. Er verlangt methodische Stringenz und Erfahrung in der Erstellung eines Codierleitfadens und der Beurteilung von Codierungen. AI Coding in MAXQDA macht Forschende nicht zu passiven Benutzer:innen des Tools, sondern bringt Sie in die Rolle einer Methodenlehrerin und -aufseherin der AI.

Welche Herausforderungen könnten mich beim AI Coding erwarten?

Obwohl der oben beschriebene Prozess nahtlos abzulaufen scheint, können wir auf Probleme stoßen. Bei der Verwendung des AI Coding Tools treten zwei Arten von Problemen besonders häufig auf:

Erstens finden wir möglicherweise keine Ergebnisse, also keine Segmente, auf die der erstellte Code laut AI passt. In diesem Fall passen wir die Code-Definition an. Sie sollten auch überlegen, was die Absenz von codierten Segmenten über Ihre Daten aussagt. Zum Beispiel in einer Studie, die sich primär mit den Problemen innerhalb einer Institution befasst, könnte der Code „Stärken“ wenig Ergebnisse liefern, da die Stärken in solchen problemorientierten Interviews selten angesprochen werden. In diesem Fall können wir eine Textsuche (Analyse > Textsuche und Autocodieren) verwenden, um Segmente zu identifizieren, die für unseren Code relevant sind. Wir können diese Segmente dann verwenden, um unsere Codebeschreibung zu verfeinern.

Textsuche & Autocodieren


Die zweite Herausforderung, der wir möglicherweise begegnen, ist die technische Begrenzung der Textmenge, die von der AI mit einem einzelnen Aufruf verarbeitet werden kann. MAXQDAs AI Assist kann problemlos die Transkripte eines einstündigen Interviews verarbeiten. Wenn die Dokumente jedoch erheblich größer sind, erhalten Sie möglicherweise eine Fehlermeldung.

Wenn unser Dokument zu lang für das AI Coding Tool ist, können wir versuchen, es zu kürzen. Zum Beispiel enthalten Interviews oft eine Einführung oder ein Fazit mit viel Small Talk, was für die Analyse nicht unbedingt erforderlich ist. Das Kürzen von Anfang und Ende eines Dokuments kann helfen, unter der 120.000-Zeichen-Grenze zu bleiben. Oder, wenn Sie mit Dokumentenanalyse arbeiten, versuchen Sie, nur den Teil des Dokuments einzubeziehen, der tatsächlich für die Analyse relevant ist. Zum Beispiel können Sie die Bibliografie aus einer langen Veröffentlichung entfernen, bevor Sie das AI Coding Tool anwenden.

Schritt 3: KI-generierte Codierungen mit MAXQDAs Visual Tools validieren

Sobald wir alle AI Codes auf den gesamten Datensatz angewendet haben, möchten wir möglicherweise die Qualität unserer AI Codierung bewerten. Ideal wäre eine manuelle Überprüfung, wie beim Testen der Code-Definition in Schritt 1. Bei Projekten mit vielen Dokumenten und Codes ist dies jedoch oft nicht machbar. Wir benötigen eine andere Strategie.

Einer der großen Vorteile der Verwendung von KI Tools, die in eine etablierte Forschungssoftware wie MAXQDA integriert sind, besteht darin, dass wir die breite Palette an Funktionen der Software in Kombination mit KI nutzen können: Zum Beispiel können wir MAXQDAs Visual Tools verwenden, um die Ergebnisse unserer AI Codierung für den gesamten Datensatz zu bewerten.

Code Matrix Browser: Sind alle meine Dokumente codiert worden?

Zum Beispiel können wir „Visual Tools > Code-Matrix-Browser“ verwenden, um die Verteilung der Codes in verschiedenen Dokumenten zu analysieren. Im Kontext von AI Coding kann der Code-Matrix-Browser Einblick darüber geben, ob unsere Codes ähnliche Ergebnisse für alle Dokumente erzeugt haben oder ob einige Dokumente ausgelassen, also nicht codiert, wurden.

Code Matrix Browser: Verteilung der AI Codes in den vier Dokumenten

Code Matrix Browser: Verteilung der AI Codes in den vier Dokumenten

Im Code-Matrix-Browser bedeuten große Quadrate, dass der Code häufig in einem Dokument angewendet wurde, während kleinere Quadrate bedeuten, dass der Code nur wenige Male in diesem Dokument verwendet wurde. Dies kann helfen, die Qualität unserer Codierung zu bewerten. Wenn ein Code sehr wenige oder keine Ergebnisse für ein Dokument liefert, ist es ratsam, das Dokument und die Codierungsbeschreibung erneut zu überprüfen.

Allerdings sollten wir bei der Beurteilung der AI Coding-Qualität mithilfe von Visual Tools vorsichtig sein und die Häufigkeit eines Codes in einem Dokument nicht ohne Weiteres als Maßstab nehmen. Denn die Länge der codierten Segmente kann stark variieren, von einem einzelnen Satz bis hin zu mehreren Absätzen. Daher sind die Zahlen, bzw. Quadrat-Größe, nicht direkt miteinander vergleichbar (siehe Schritt 4 für weitere Details).

Dokumenten-Vergleichsdiagramm: Welche Abschnitte der Dokumente hat die KI codiert?

Ein anderes Visual Tool, das Dokumenten-Vergleichsdiagramm, können wir verwenden, um zu überprüfen, welche Abschnitte innerhalb unserer Dokumente codiert wurden.

Dokumenten-Vergleichsdiagramm: Hier zeigt die Visualisierung an, dass in den meisten Dokumenten die ersten beiden Paragraphen nicht codiert wurden.

Dokumenten-Vergleichsdiagramm: Hier zeigt die Visualisierung an, dass in den meisten Dokumenten die ersten beiden Paragraphen nicht codiert wurden.

Im obigen Beispiel sehen wir eine Visualisierung all unserer Dokumente. Jede Zeile stellt ein Dokument dar. Die Spalten repräsentieren die verschiedenen Absätze innerhalb eines Dokuments. Die Farben informieren uns darüber, welche Codes in diesem Dokument-Abschnitt verwendet wurden. In diesem Fall können wir sehen, dass der Anfang der Interviews oft nicht von der KI codiert wurde, da diese Abschnitte wohl keine Informationen enthalten, die relevant für die Forschungsfrage sind. Auf diese Weise können wir schnell Abschnitte identifizieren, die nicht codiert wurden, und anschließend prüfen, ob das im Sinne unserer Forschungsfrage ist.

Schritt 4: Analyse der KI-codierten Segmente

Sobald wir alle unsere Codes überprüft haben, können wir mit der Analyse fortfahren. Beispielsweise könnte es interessant sein, Codehäufigkeiten zu analysieren, Codesummen zu erstellen und das Smart-Coding-Tool zu verwenden.

Kann ich Codehäufigkeiten analysieren, die durch AI Coding entstanden sind?

Es mag verlockend sein, die KI-generierten Codes zu quantifizieren (z.B. Codehäufigkeiten zu zählen und zu vergleichen oder den Code-Umfang, d.h. den Bereich, der von einem Code abgedeckt wird, zu messen). Allerdings sollte dies mit Vorsicht geschehen, denn die Länge der KI-codierten Segmente kann stark variieren. Die KI versucht Bedeutungseinheiten zu identifizieren, wobei eine Bedeutungseinheit einem codierten Segment entspricht. Entsprechend kann ein solches Segment von wenigen Wörtern bis hin zu mehreren Absätzen reichen. Wir können dies leicht in der „Übersicht der codierten Segmente“ durch die Spalte „Fläche“ identifizieren:

Übersicht der codierten Segmente: Hier haben die AI-codierten Segmente unterschiedliche Längen: 349 Zeichen, 1427 Zeichen und 2336 Zeichen.

Übersicht der codierten Segmente: Die Spalte „Area“ gibt die Länge in Zeichen des codierten Segments an. Hier haben die AI-codierten Segmente unterschiedliche Längen: 349 Zeichen, 1427 Zeichen und 2336 Zeichen.

Wenn wir uns stark auf das AI Coding Tool verlassen, kann es passieren, dass wir nur die von der KI codierten Textsegmente lesen und bei der Analyse betrachten. Bei einem Forschungsprojekt ohne KI lesen wir normalerweise den gesamten Text, auch wenn wir nur einen kleinen Teil davon codieren. Dadurch sind die nicht codierten Daten immer noch in den Ergebnissen enthalten, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.

Wie fasse ich meine codierten Daten zusammen?

Sobald wir unsere Daten codiert haben, können wir uns eine KI-generierte Zusammenfassung der codierten Segmente erstellen lassen. Das hilft uns, Themen über mehrere Dokumente hinweg zusammenzufassen. Wir können einfach mit der rechten Maustaste auf einen Code klicken und „AI Assist > Summarize Coded Segments“ auswählen. Anschließend wählen wir die Sprache und die gewünschte Länge der Zusammenfassung, und erhalten folgende Ausgabe:

Die KI-generierte Zusammenfassung wir in ein Memo gespeichert


Falls die Zusammenfassung unserem Zweck nicht entspricht, können wir mit zusätzlichen Anweisungen die Zusammenfassung anpassen:

Optiondialog für die KI-Zusammenfassung der codierten Segmente


Im dargestellten Beispiel möchten wir, dass die Zusammenfassung verschiedene Facetten unseres Codes beinhaltet. Für unseren Code „Gesundheit“ bitten wir die KI, die Zusammenfassung in drei Abschnitte zu gliedern, die sich auf mentale, körperliche und soziale Gesundheit beziehen.

Das Smart-Coding-Tool: Wie erstelle ich Subcodes?

Da das AI Coding Tool oft Codes mit einer großen Anzahl an codierten Segmenten erzeugt, könnte es interessant sein den Code in Subcodes aufzuteilen. Dafür ist das Smart-Coding-Tool perfekt geeignet:

Beispiel: Aufteilung des Codes „Gesundheit“ in verschiedene Aktionen wie „sich gesund ernähren“ oder „soziale Kontakte pflegen“

Beispiel: Aufteilung des Codes „Gesundheit“ in verschiedene Aktionen wie „sich gesund ernähren“ oder „soziale Kontakte pflegen“.

Das Smart-Coding-Tool (Codes > Smart-Coding-Tool) zeigt alle codierten Segmente eines Codes, mit ihren jeweiligen Code-Kommentaren und weiteren, überlappenden Codes in einer Tabelle an. Dies erlaubt es uns, unsere Daten Code-für-Code und Segment-für-Segment durchzugehen und neue Subcodes zu erstellen und anzuwenden.

Lesen Sie ein Segment und versuchen Sie einen passenden Subcode zu finden, den Sie durch Klick auf das grüne „+“-Icon erstellen können. Geben Sie einen Codenamen und ggf. eine Code-Beschreibung ein und wenden Sie den Code via Drag-and-drop an. Sollten Sie Hilfe bei der Erstellung von passenden Subcodes haben, können Sie die KI-generierten Kommentare lesen oder das AI Assist Tool „Subcodes vorschlagen“ verwenden.

Das Smart-Coding-Tool wie beschrieben zu nutzen, hat nicht nur den Vorteil ein nützliches Subcode-System zu entwickeln, sondern es stellt auch sicher, dass jedes einzelne KI-codierte Segment mindestens einmal von einem menschlichen Forschenden überprüft wird. Indem wir diesen Prozess durchlaufen, bei dem wir zunächst deduktive Codes anwenden und diese dann mit induktiven Subcodes verfeinern, folgen wir auch der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse, wie sie von Kuckartz & Rädiker (2023) vorgeschlagen wurde.

Schlussfolgerung: Die komplexe Beziehung zwischen KI und menschlicher Codierung

In der Schlussfolgerung werden wir uns mit drei zentralen Fragen befassen, die die Unterschiede zwischen menschlicher und KI-Codierung, die Anwendungsfälle von AI Coding sowie den potenziellen Einfluss der KI-Codierung auf qualitative Forschung betreffen.

Wie unterscheidet sich die KI-Codierung von der menschlichen Codierung?

Wie wir gesehen haben, passt der hier beschriebene AI Coding-Prozess gut zu etablierten Methoden. Natürlich müssen wir besonders vorsichtig sein, wenn es darum geht, unsere Codes zu quantifizieren oder relevante Segmente zu übersehen, aber das sind auch Nachteile vieler Nicht-KI-Projekte.

Bei dem hier beschriebenen Ansatz gibt es einen methodischen Unterschied: AI Coding ist extrem deduktiv oder konzeptgetrieben. Als menschliche Forscher:innen fokussieren wir uns nie nur auf einen einzelnen Code. Wenn wir einen Text lesen und versuchen, verschiedene Konzepte zu identifizieren, bewerten wir jedes Segment im Vergleich zu mehreren bestehenden Codes oder potenziellen zukünftigen Codes. Wir können ein Textsegment finden, das nicht in unser System passt, aber es trotzdem berücksichtigen. Das AI Coding Tool funktioniert anders: Es nimmt eine Beschreibung und sucht nur nach Segmenten, auf die die spezifische Beschreibung passt.

Allerdings gibt es auch andere KI-Funktionen. Zum Beispiel, liegt das AI Assist Tool „Codes für ausgewählte Segmente vorschlagen“ am anderen Ende des Spektrums: Es werden neue Codes basierend auf dem Text vorgeschlagen, ohne unsere bisherigen Codierungen oder Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Was ist ein guter Anwendungsfall für qualitative KI-Codierung?

Wenn wir uns praktische Anwendungsfälle für das AI Coding Tool überlegen, sehen wir AI Coding sowohl als Ergänzung zur menschlichen Codierung als auch als Unterstützung bei der Verarbeitung großer Datenmengen. Erstens kann das AI Coding Tool eine schnelle und kostengünstige Alternative zu einem zweiten Codierer sein. Als qualitative Forscher:innen sind wir ausgebildet, die Subjektivität unserer analytischen Arbeit ständig zu bewerten, und wir können daran zweifeln, alle wichtigen Segmente codiert zu haben. Die KI-basierte Codierung ermöglicht es uns, unsere menschliche Subjektivität mit der Subjektivität eines KI-Modells zu konfrontieren. Ein KI-basiertes Codierungs-Tool kann uns dabei helfen, Textsegmente aufzudecken, die wir möglicherweise übersehen oder zu schnell verworfen haben. Hier kann die KI als Spiegel dienen, um unsere eigene Codierung kritisch zu bewerten.

Zweitens können wir AI Coding auch nutzen, um die Herausforderung der Verarbeitung großer Datenmengen zu meistern. Wenn wir bereits einen beträchtlichen Test-Datensatz manuell codiert haben, können wir dieses Wissen und die bestehenden Codebeschreibungen als ideale Grundlage verwenden, um unsere Codes auf größere Datensätze anzuwenden. Die visuellen Werkzeuge von MAXQDA helfen uns hierbei, auch für große Datensätze unsere codierten Segmente zu verifizieren.

Was kann AI Coding der qualitativen Forschung bringen?

Natürlich wird AI Coding genutzt, um „quick and dirty“-Ergebnisse zu erzeugen, zum Beispiel um eine Abschlussarbeit abzuschließen oder einen Artikel einzureichen. Die daraus resultierende Gefahr, das Meer an Forschungsergebnissen und Studien durch inhaltlich wenig wertvolle KI-Studien zu verschmutzen, ist ernst. Dennoch ist unsere optimistische Vision für die KI-Nutzung in der qualitativen Forschung folgende: Die KI-Unterstützung kann uns helfen, unsere Subjektivität und menschliche Bias stärker zu hinterfragen. Zum Beispiel haben nur wenige Projekte genug Ressourcen für eine umfassende Intercoder-Reliabilitätsanalyse oder um sich zumindest eine zweite Meinung zum Datensatz einzuholen. Mit der KI-Nutzung haben wir schnellen Zugang zu einer zweiten „Meinung“, die uns hilft, sowohl die Quantität unserer Ergebnisse, als auch die Qualität unserer Forschungsergebnisse zu erhöhen.

Referenzen

Braun, Virginia; Clarke, Victoria: Thematic Analysis: A Practical Guide. Strauss, Anselm; Corbin, Juliet (1990). Basics of qualitative research: Grounded theory procedures and techniques. Thousand Oaks, CA: Sage.

Kuckartz, Udo; Stefan Rädiker (2023): Qualitative Content Analysis: Methods, Practice and Software. SAGE Publications Ltd.

Müller, Andreas;. Rädiker, Stefan (2024). “Chatting” With Your Data: 10 Prompts for Analyzing Interviews With MAXQDA’s AI Assist. MAXQDA Research Blog. https://www.maxqda.com/blogpost/chatting-with-your-data-10-prompts-for-analyzing-interviews-with-maxqda-ai-assist

Rädiker, Stefan et.al (2024): AI in Research: Opportunities and Challenges. (2024, February 29). [Symposium]. MAXQDA International Conference (MQIC), Berlin, Germany. https://www.maxqda.com/blogpost/ai-in-research-opportunities-and-challenges

Über den Autor:

Andreas Müller

Andreas Müller ist seit über sieben Jahren professioneller MAXQDA-Trainer, Forschungs- und Methoden-Coach und Auftragsforscher. Er hat Erfahrung mit einer Vielzahl qualitativer Methoden und arbeitet mit Kunden aus verschiedenen akademischen Disziplinen, darunter Gesundheits-, Erziehungs- und Wirtschaftswissenschaften. Andreas ist spezialisiert auf die Analyse von qualitativen Text- und Videodaten sowie von Mixed-Methods-Daten.
www.muellermixedmethods.com